Lebkuchen sind ein Teil der deutschen Leitkultur. Das lässt sich daran erkennen, dass die süßen Pfefferkuchen im stationären Einzelhandel jedes Jahr pünktlich zum ersten Advent ausverkauft sind. Doch warum lieben die Deutschen ihre Gewürzkuchen eigentlich so sehr? Vielleicht ist Geschmack ja tatsächlich vererbbar? Denn dann würden die Nachfahren der Ottonen ihre Begeisterung für das himmlische Weihnachtsgebäck direkt mit der Muttermilch aufsaugen. Schließlich werden Pfefferkuchen hierzulande bereits seit dem 12. Jahrhundert verzehrt.
Als die Kreuzritter im Jahre 1099 erfolgreich von ihrem Unterfangen nach Mitteleuropa zurückkehrten, hatten sie nicht nur Jerusalem im Sack. Vielmehr bereicherten die Armeen von Papst Urban II. das Heilige Römische Reich Deutscher Nation zudem mit orientalischen Gewürzen und mit delikaten Honigfladen. Die knusprigen Gebäckstücke wurden in Adelskreisen sofort zum Maß aller Dinge und jeder Graf, der etwas auf sich hielt, bot seinen Gästen einen süßen Gruß aus dem Nahen Osten an. Das führte wiederum zu einer großen Nachfrage nach den orientalischen Spezialitäten, weshalb die berühmtesten Bäcker aus dem heutigen Belgien mit Hochdruck daran arbeiteten, das Rezept für die gewürzten Honigfladen herauszufinden. Bei dieser Aktion entstanden dann die auch heute noch sehr beliebten „Couques de Dinant“¹.
Hingegen die Klöster entwickelten den gewürzten Honigkuchen weiter, sodass das Sirupteiggebäck schon bald darauf als hochmittelalterliche Medizin verwendet wurde.
Honig- oder Lebkuchen stand schon seit alters her mit kultischen Handlungen in Verbindung und wurde durch die Klöster in Mitteleuropa verbreitet. Dem Honiggebäck wurde fruchtbarkeitserhaltende und heilende Wirkung zugeschrieben.
Lorenz, Christa: Berliner Weihnachtsmarkt. Bilder und Geschichten aus 5 Jahrhunderten. Berlin: Berlin-Information 1987.
Im späten 14. Jahrhundert² machten sich plötzlich Weihnachtsmärkte vor den städtischen Kirchen breit. Auf diesen mehrwöchigen Handelsplätzen waren auch ehrfürchtige Gottesdiener unterwegs, um ihre heilenden Pfefferkuchen anzupreisen. Die winterlichen Küchlein verkauften sich dabei so gut, dass sich die Weißbäcker fragten, warum sie nicht ebenfalls honigsüße Gewürzkuchen herstellen sollten. Und so kam es, dass die ersten Lebkuchen spätestens im Jahre 1409³ auch in weltlichen Mehlwerkstätten gebacken wurden.
Die Weißbäcker kreierten von da an immer neue Pfefferkuchenkreationen wie beispielsweise den berühmten Nürnberger Elisenlebkuchen. Dieses Edelgebäck zeichnet sich auch heute noch dadurch aus, dass es aus mindestens 25% Nüssen⁴ besteht und fast kein Mehl enthält. Außerdem ist die Oberseite eines solchen Oblatenlebkuchens mit einer Mandel⁵ garniert. Trotz der vielen neuen Variationen zählten die Pfefferkuchen weiterhin zu den Winterspezialitäten, die lediglich auf Weihnachts- und Jahrmärkten verkauft wurden. Das lässt sich unter anderem daran erkennen, dass der Augsburger Christkindlesmarkt im Jahre 1498 schlicht und einfach „Lebzeltermarkt” hieß.
Einer der ältesten deutschen Weihnachtsmärkte ist der Augsburger Christkindlesmarkt, dessen heutigen Namen er zwar erst 1949 erhalten hat, der aber als „Lebzeltermarkt” schon in einem städtischen Protokoll vom 22. Dezember 1498 erwähnt wird.
Beckers-Dohlen, Claudia: Weihnachtsmärkte. In: Karfunkel Nr. 121 (2015). S. 15.
Erst einige Jahre später spezialisierten sich manche Weißbäcker auf die Herstellung von Honigkuchen und eröffneten Pfefferkuchenbäckereien. In diesen Mehlwerkstätten gab es das ganze Jahr über nicht nur Lebkuchen, sondern auch Speiseeis zu kaufen. Außerdem rösteten die Pfefferküchler ab dem 18. Jahrhundert zusätzlich noch arabische Kaffeebohnen. Demzufolge waren diese Etablissements das Starbucks des Heiligen Römischen Reiches. Eine der ersten und bekanntesten Pfefferküchlereien lag seinerzeit im sächsischen Pulsnitz und nahm im Jahre 1558 die Arbeit auf.
Der früheste Nachweis für die Pfefferkuchenbäckerei in Pulsnitz ist ein Privileg aus dem Jahre 1558. In diesem Schriftstück wurde den Bäckern erlaubt, so viel Roggenmehl für die Herstellung von Pfefferkuchen zu verarbeiten, wie es der Bedarf erforderte.
Martin, Andreas: Seltenes Handwerk in Sachsen - Pfefferküchler. Mit dem Hennig- schen Back- und Anleitungsbuch für die Pfefferküchlerei aus dem Jahre 1845. Dresden: Sächsisches Druck- und Verlagshaus GmbH 1996.
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren den Deutschen ihre historischen Gewürzkuchen zu langweilig geworden. Die preiswerten Industrielebkuchen in der Adventszeit und das neue amerikanische Fast Food entzogen den Honigbäckern allmählich die Lebensgrundlage, weshalb im Jahre 1963 in den letzten Pfefferkuchenwerkstätten die Lichter ausgingen.
Um die geschichtsträchtigen deutschen Pfefferkuchen zu ehren, habe ich Elisenlebkuchen aus Fimo modelliert. Dabei orientierte ich mich optisch genau am Originalgebäck, weshalb jedes meiner runden Kunstwerke auch über eine Mandel und über einen Oblatenboden verfügt. Die eigentlichen Highlights meiner Fimo Lebkuchen sind allerdings die beiden unterschiedlichen Glasuren und die fluffige Teigoptik an der Bruchstelle. Und falls Sie wissen möchten, wie ich das alles hinbekommen habe, dann freuen Sie sich nun auf die folgende Bildanleitung.
Elisenlebkuchen aus Fimo modellieren
Zum Anfertigen eines originalgetreuen Elisenlebkuchens verwendete ich die Fimofarben Weiß (0), Gelb (1), Rot (2), Ultramarin (33), Schokobraun (77), Champagner (02) und Metallic Gold (11). Außerdem nahm ich ein Set Pastellkreiden zur Hilfe. Hingegen die Glasur stellte ich mithilfe von Fimo Liquid und Wasser her. Des Weiteren schnitt ich mir den Oblatenboden aus beigefarbenem Tonpapier zurecht. Als Werkzeuge sollten Sie sich zudem Ihre Pastamaschine, ein Messer, eine Schere, verschiedene Dottingtools, einige Kosmetiktücher, etwas Alufolie und eine Zahnbürste zurechtlegen.
Das Mischen der korrekten Farbtöne war die größte Schwierigkeit bei diesem Motiv. Das begann schon beim Lebkuchenteig, der in Wirklichkeit eine karamellbraune Farbe hat, die in den Backstuben oftmals mithilfe von Erbsenmehl hervorgerufen wird.
- Um diese Sirupteigfarbe nachzuahmen, mischte ich als Erstes 10 Teile Weiß mit 10 Teilen Schokobraun und 10 Teilen Metallic Gold. Außerdem fügte ich meiner Mixtur noch einen Teil Gelb hinzu.
Im nächsten Schritt rollte ich mein Gemisch auf eine Dicke von 2,5 Millimetern aus.
Daraufhin schnitt ich mir vier gleichgroße Kreise aus meinem ausgerollten Gemisch aus, die jeweils einen Durchmesser von 7,5 Zentimetern hatten.
- Gleich danach legte ich meine vier Scheiben symmetrisch aufeinander.
- Anschließend packte ich meinen Zylinder mit einem etwas dunkleren Braunton ein. Diese Farbe stellte ich mir zunächst wieder selbst her, indem ich Rot mit Gelb und Ultramarin im Verhältnis 3:2:2 vermischte.
Als Nächstes rollte ich das Ganze dann auf eine Dicke von einem Millimeter aus, damit ich meinen Scheibenturm mit einer dünnen Nussbraunschicht einwickeln konnte. Nachdem ich den eingehüllten Teigling daraufhin glatt gestrichen hatte, halbierte ich meinen Elisenlebkuchen. Dabei schnitt ich den Honigkuchen jedoch nicht einfach nur gerade in der Mitte durch. Vielmehr erzeugte ich ein Zickzackmuster, sodass zwei lebendige Bruchstellen mit tiefen Kratern und hohen Bergen entstanden.
Fluffigen Teig aus Fimo modellieren - so geht’s
Im nächsten Arbeitsschritt erzeugte ich in den Bruchstellen ein realistisches Lebkuchenteigmuster. Dazu verblendete ich die beiden Schnittstellen erst einmal mit einem Dottingtool.
Direkt im Anschluss tupfte ich ein Stück zerknüllte Alufolie über den ungleichmäßigen Teig, um feine Äderchen in das Fimo zu ziehen.
- Außerdem stach ich kleine Luftlöcher in die Bruchstellen ein. Durch die Vertiefungen sieht der Pfefferkuchenteig später so aus, als wäre er beim Backen aufgegangen.
Wie bereits erwähnt, besteht ein Elisenlebkuchen aus mindestens 25% Mandeln. Außerdem gehört natürlich auch Zitronat in einen echten Gewürzkuchenteig. Um diese beiden Ingredienzien sichtbar zu machen, mischte ich die Farbe Champagner mit der Farbe Gelb im Verhältnis 5:2. Aus der Mixtur schnitt ich mir anschließend kleine Mandelsplitter zurecht, die ich gleich darauf vorne in die Bruchstellen einarbeitete. Des Weiteren garnierte ich den Lebkuchenteig mit weiteren Krümelchen, die ich zuvor von der Farbe Schokobraun abgeschabt hatte.
Handbestäubte Mandel aus Apulien zum Verzieren
Als Nächstes modellierte ich eine ovale Ziermandel aus meinem blassgelben Gemisch, welches aus fünf Teilen Champagner und zwei Teilen Gelb bestand.
Direkt im Anschluss veredelte ich die Oberfläche der Steinfrucht mit tiefen Linien, sodass das Ganze wie eine bereits getrocknete und geschälte Mandel aussah.
- Außerdem bemalte ich meine appetitanregende Lebkuchenverzierung mit zimt- und ockerfarbener Pastellkreide.
Ganz zum Schluss drückte ich noch eine Mulde in eine Pfefferkuchenhälfte, um dort dann die Kunstmandel einsetzen zu können.
Damit mein naturbrauner Fimo Lebkuchen noch realitätsnaher aussah, kümmerte ich mich in den nächsten Modellierschritten um eine spannungsreiche Oberflächenstruktur. Dazu klopfte ich die Oberseiten meiner Lebkuchenhälften zunächst einmal mit einem runden Dottingtool ab.
- Gleich darauf nahm ich einen Zahnbürstenkopf zur Hand, mit dem ich dann die Außenseiten der Gebäckstücke sanft aufraute.
- Außerdem zog ich noch kleine Risse mithilfe einer zusammengeknüllten Alufolienkugel in die dunkelbraunen Oberflächen.
Abschließend fertigte ich den Lebkuchenboden an. Dafür klebte ich zwei beigefarbene Tonpapierkreise mit einem Durchmesser von 7,5 Zentimetern symmetrisch aufeinander, sodass die künstliche Essoblate eine Grammatur von 260 g/m² erhielt.
- Daraufhin fixierte ich erst die eine Honigkuchenhälfte auf der Papierscheibe. Im Anschluss daran nahm ich eine Schere und schnitt damit das Tonpapier parallel zur Bruchkante ab. Danach wiederholte ich das Ganze mit dem anderen Gebäckstück. Hinweis: Als Klebstoff verwendete ich ausschließlich Fimo Liquid.
Zu guter Letzt konservierte ich meine Arbeit für die Ewigkeit, indem ich die beiden Elisenlebkuchenstücke bei 110 Grad Celsius für 30 Minuten in den Backofen gab.
Vronis Zuckerglasurrezept zum Kandieren von Kleinkunst
Die Pfefferküchler erzeugten ihre weißen Glasuren im 19. Jahrhundert⁶ aus Zucker, steif geschlagenem Eiweiß und Zitronensaft. Auch meine schneeweiße Zuckerglasur besteht aus nur drei Zutaten.
Zum Anfertigen meines weißen Lebkuchenüberzugs gab ich vier Teile weißes Fimo zusammen mit zwei Teilen Fimo Liquid und einem Teil Wasser in ein Gefäß. Als Nächstes vermengte ich die Ingredienzien so lange mit einem Holzstäbchen, bis eine zähflüssige Masse entstand.
- Daraufhin bestrich ich die Oberseiten meiner abgekühlten Honigkuchenhälften großzügig mit der Paste, sodass die Glasur sich ebenfalls in den Poren festsetzen konnte.
Direkt im Anschluss nahm ich ein feuchtes Kosmetiktuch und entfernte damit wieder so viel Zuckerglasur, bis mein Weihnachtsgebäck wie ein echter weißer Elisenlebkuchen aussah. Danach gab ich meinen halbierten Pfefferkuchen das letzte Mal für 30 Minuten bei 110 Grad Celsius in den Backofen.
Falls Sie lieber dunkle Lebkuchen bevorzugen, dann empfehle ich Ihnen meine Schokoladenglasur, die wie eine Nuss-Nougat-Creme aussieht.
- Dafür müssen Sie als Erstes die Farbe Schokobraun mit der Farbe Schwarz im Verhältnis 2:1 mischen.
- Als Nächstes geben Sie vier Teile des neu entstandenen Brauntons zusammen mit zwei Teilen Fimo Liquid und einem Teil Wasser in ein Gefäß.
- Anschließend verfahren Sie genauso wie bei dem weißen Lebkuchen.
Hinweis: Nachdem die Gewürzkuchenhälften aus dem Backofen kamen, ließ ich diese komplett auskühlen. Ganz zum Schluss brachte ich meine Kunstwerke dann noch mit einer dünnen Acryllackschicht zum Glänzen.
Die Heilige Elisabeth von Thüringen kannte bereits Pfefferkuchen
Jedes Jahr am 19. November huldigt die römisch-katholische Kirche die Heilige Elisabeth. Die Adelstochter aus dem 13. Jahrhundert ist unter anderem die Schutzpatronin der Bäcker, da sie der Legende nach einmal Brot für die Armen in Rosen verwandelte⁷. Das war nötig, zumal Elisabeths Ehemann nicht wollte, dass die Gute das höfische Brot an den Pöbel verschwendet. Doch die ehemalige Landgräfin ist nicht nur eine Heilige. Vielmehr ist sie ebenfalls die Namensgeberin für die köstlichen Elisenlebkuchen.
Wie Sie sehen, sind Pfefferkuchen auf jeden Fall ein Teil der deutschen Leitkultur. Lassen Sie sich also niemals von Europaradikalen⁸ oder von mangelhaft gebildeten Mitbürgern erzählen, dass die Deutschen nur durch ihre Muttersprache vereint sind.
Aydan Özoguz: Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar.
Delhaes-Guenther von, Andreas: Keine deutsche Kultur. bayernkurier.de (12/2017).
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¹sucreriesbelges: La couque de Dinant. youtube.com (12/2017).
²Vetter, Veronika: Verkaufsstand für den Weihnachtsmarkt basteln. gws2.de (12/2017).
³Gandl, Fritz: Geschichte des Lebkuchens. lebkuchen-gandl.com (12/2017).
⁴Schmelzer, Gerhard: Feinste Nürnberger Elisen-Lebkuchen. lebkuchen-schmidt.com (12/2017).
⁵Constabel, Nicole: Plätzchen. Die besten Rezepte aus Fichtelgebirge, Frankenwald und Vogtland. Köln: H+L Verlagsgesellschaft mbH 2001.
⁶Martin, Andreas: Seltenes Handwerk in Sachsen - Pfefferküchler. Mit dem Hennig- schen Back- und Anleitungsbuch für die Pfefferküchlerei aus dem Jahre 1845. Dresden: Sächsisches Druck- und Verlagshaus GmbH 1996.
⁷Prauß, Angelika: Rosen im Korb. katholisch.de (12/2017).
⁸Kaspar, Thomas: Schulz will Vereinigte Staaten von Europa - Merkel zurückhaltend. merkur.de (12/2017).